Bunte Blätter im Wind: Das Herbstfest in der Brücke am 31. Oktober 2012
von Juliane Hagen
„Bunt sind schon die Wälder“, so beginnt eines der bekanntesten Lieder, die wir im Herbst singen. Und bunt
ging es auch beim Herbstfest zu, das wir am Reformationstag in und vor der Brücke gefeiert haben.
Bunt war zum Einen der Schminkstand, der auf ausdrücklichen Wunsch der Brücken-Kinder wieder eingerichtet
wurde. Neu war diesmal jedoch, dass eines der älteren Mädchen mithalf, die Jüngeren anzumalen. Es war
überhaupt auffallend, dass viele der Kinder sehr geschwisterlich miteinander umgingen. Größere schoben,
trugen, führten Kleinere durch die Gegend, ermahnten sie, knuddelten sie, zickten herum und vertrugen sich
wieder. Von außen war es schier unmöglich zu erkennen, wer nun wirklich mit wem verwandt war.
Bunt war auch die Mischung der Gäste. Da kamen Kinder, die schon oft da waren, die sich in den
Räumlichkeiten schon so selbstverständlich bewegen, als seien sie dort zu Hause. Und es waren Kinder dabei,
die sonst nicht kommen, entweder weil sie die Brücke vorher noch nicht entdeckt hatten oder aber weil sie in
relativ behüteten Verhältnissen aufwachsen dürfen. Alle diese Kinder haben sich aber gemeinsam bei den
Bewegungsspielen ausgetobt, wer gerade an der Reihe war, hat sich irgendeinen Partner geschnappt, und los
ging es. Nicht anders die Erwachsenen: Deutsche, Iraner, Südafrikaner, Koreaner standen zusammen an dem
kleinen Lagerfeuer, das wir nach Einbruch der Dunkelheit entzündet haben, und rösteten ihre Brotscheiben und
Würstchen.
Bunt waren allerdings auch die Halloween-Kostüme derjenigen, die das Fest weit vor dem Ende verließen, um
nach amerikanischer Sitte in den umliegenden Häusern um Süßigkeiten zu betteln. Verkleidet als Hexen, Teufel
und Monster („Ich bin eine tote Pippi Langstrumpf!“) zogen sie umher. Die Kinder, die am Feuer geblieben
waren, hatten es schwer. Ihre Kumpels und Kumpelinen waren im Begriff, Unmengen von Süßkram abzufassen. Und
sie sollten herumstehen und die seltsame Geschichte von einem Typen hören, der auf einer Leiter bis in den
Himmel geklettert ist?! Eine Leiter in die dritte Etage dort im erleuchteten Nachbarhaus, bis zur Tür von
Frau Müller-Meier-Schulze mit der Bonbontüte, würde mir schon reichen, das stand einigen deutlich ins
Gesicht geschrieben.
Aber sie blieben. Pastor Gevers, der sie mit sanfter Stimme ermahnte, nicht einfach mittendrin abzuhauen,
hatte Erfolg. Gemeinschaft ist eben nicht nur ein Nehmen, sondern manchmal auch ein Geben, weil nur so ein
verlässliches Miteinander wachsen kann. Unsere Brücken-Kinder beginnen scheinbar, das zu verstehen. Es hilft
ihnen dabei die Begleitung durch die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter, es hilft ihnen das Zusammensein
mit den Iranern, deren Sorgen und Nöte oftmals gar nicht so weit weg sind von denen der Volkmarsdorfer Kids,
und es hilft ihnen das Material, das dank der Unterstützung und Spenden zur Verfügung gestellt werden kann.
„Jetzt habe ich ein Gott-Buch!“, so rief ein kleines Mädchen glücklich aus, als es eine Kinderbibel
geschenkt bekam.
Ein bisschen sind sie wie die Blätter im Herbst: bunt, ein jedes einmalig, aber eben mangels eines festen
Halts auch leicht abzupflücken und mitzureißen. Lasst uns also unser Bestes tun, damit nicht die rauen Winde
ihrer sozialen Wirklichkeit sie hinfortwehen, sondern sie vom sanften Säuseln des Göttlichen aufgefangen und
getragen werden, so dass sie, geschützt von Seiner Macht, ihren ganz eigenen Lebenstanz tanzen können.
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